„Setzen Sie beim Streit ums Sorgerecht auf
Profis, die etwas davon verstehen.“
03Mar2020

Das Wechselmodell bei hochstrittigen Eltern

Von: Pajam Rokni-Yazdi
Als Rechtsanwalt für Scheidungen, Sorgerecht und Umgangsrecht aus Hannover stelle ich fest, dass das Wechselmodell immer beliebter wird. Dabei muss diese spezielle Art der teilweise paritätischen Kindesbetreuung im Kontext sich wandelnder Geschlechterrollen sowie veränderter Leitbilder und Praktiken der Ausgestaltung von Elternrechten gesehen werden. Gerade ein gelebtes Wechselmodell kann zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen den Eltern führen. Man könnte im familiengrichtlichen Alltag fast den Eindruck gewinnen, als würde ein solches Wechselmodell gerade erst den Hochkonflikt herbeiführen.

In gerichtlichen Verfahren wird vielfach die Meinung vertreten, dass es für Kinder besonders wichtig sei, möglichst gleichviel Zeit mit beiden Eltern zu verbringen. Die Frage nach  Belastungen, die gerade bei kleinen Kindern mit dem Wechselmodell einhergehen, werden oft nicht thematisiert oder, wenn sie von einem Elternteil kritisch aufgeworfen werden, als Zeichen vermeintlicher Bindungsintoleranz schnell im Keim erstickt. Der Notwendigkeit, kindliche Belange in den Blick zu nehmen,  wird so die Grundlage entzogen. Es herrscht auch die Auffassung, dass ein Wechselmodell zur Konfliktreduzierung beitragen kann. Bleibt da nicht oft der Wunsch Vater des Gedanken?

Gegen diese Vermutung sprechen auch die Befunde einer Studie aus den Niederlanden. Es gibt Erkenntnisse darüber, dass ein von Kindern empfundener Druck, mehr Kontakt zum anderen Elternteil zu haben, mit einer steigenden Belastung der Kinder einhergeht. Man darf dabei nicht vergessen, dass Kinder mit zunehmendem Alter vermehrt eigenen Interessen nachgehen wollen, als etwas mit den Eltern zu unternehmen. Selbst verheiratete Eltern mit intakten Verhältnissen wissen, wie schwierig es mitunter sein kann, die Kinder an Wocheneden zu „Familienausflügen“ zu bewegen. Man kann sich also lebhaft vorstellen, wie schwierig es mitunter für „alleinerziehende“ Eltern sein kann, die Kinder zu häufigen Umgängen zu motivieren. In der gerichtlichen Praxis wird dies den Kindern und Eltern aber abverlangt. Schwierig wird es, wenn „Sand in das gerichtlich festgelegte Umgangsmodell“ gelangt. Dann sieht sich das Hauptbetreungselternteil oft dem Vorwurf der mangelnden Bindungsintoleranz ausgesetzt.

Dabei sollte das Wechselmodell nicht zum Standard werden, weil gerade der Koalitionsdruck bei Kindern zu einer hohen Problembelastung und einem massiven Eingriff in die Individualität des Kindes führen kann. Tatsächlich hat sich gezeigt, dass mehr Kontakt zum anderen Elternteil nicht unweigerlich zu einer besseren Beziehung führt, sondern viel Kontakt sich bei einer belasteten Elternbeziehung oder einer eingeschränkten Erziehungsfähigkeit eines Elternteil negativ auf die Entwicklung auswirken kann. Wenn ein Elternteil z.B. bei einem ausgefallenen Umgang gleich die Polizei ruft, wie soll sich dieses Verhalten und das folgende Szenario positiv auf zukünftige Umgänge auswirken? Das Wechselmodell ist für manche Familienkonstellationen sicherlich genau das richtige Umgangsmodell, für andere ist es aber auch völlig ungeeignet. Gerade dann, wenn eine vermeintliche Elterngerechtigkeit die tragende Rolle für das Wechselmodell spielt. Das Gesetz besagt lediglich, dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen zum Wohl des Kindes gehört, vgl. § 1626 III BGB. Mit der Vorschrift ist allerdings noch keine quantitative Festlegung einer zu treffenden Umgangsregelung verbunden. Eine solche muss vielmehr im konkreten Einzelfall dem Kindeswohl entsprechen. Es muss also eine gerichtliche Überprüfung der einzelnen Kindeswohlaspekte stattfinden.

An dieser Stelle wären weitere wissenschaftliche Erhebungen wünschenswert, welche entwicklungspsychologischen Aspekte für Kinder bei der Umgangsausgestaltung eine Rolle spielen und wie Risikofaktoren entgegnet werden kann.

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