Im vorliegenden Fall haben wir die Vertretung einer Mutter übernommen, die mit ihren fünf Kindern nach der Trennung vom Kindesvater von Deutschland in ihr Heimatland USA verziehen wollte. Neben den streitgegenständlichen Kindern haben die Eltern mehrere gemeinsame erwachsene Kinder sowie jeweils erwachsene Kinder aus vorherigen Beziehungen die heute in Deutschland und den USA leben. Bevor die Eltern nach Deutschland kamen lebten sie gemeinsam in unterschiedlichen europäischen Ländern, zuletzt in England, wo alle hier streitgegenständlichen Kinder geboren sind.
Während der Trennung, die man im gemeinsamen Haus verbrachte stellte die Kindesmutter beim zuständigen Amtsgericht den Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge, um mit den Kindern in ihre Heimat die USA umziehen zu können. Der Vater trat diesem Antrag entgegen. Die von der Mutter vorgebrachten Motive waren plausibel, dennoch entschloss sich das Amtsgericht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Die Kindesmutter unterzog sich trotz sprachlicher Schwierigkeiten unter Hinzuziehung eines Dolmetschers der Begutachtung durch die Sachverständige. Die Begutachtung fand dabei auch unter Interaktionsbeobachtungen in der Familie statt. Dabei war der Sachverständigen vom Gericht aufgegeben worden auf das Einvernehmen der Eltern hinzuwirken.
Die Sachverständige entschloss sich jedoch dazu, die während der Begutachtung aufkommenden Umzugspläne des Vaters in eine mehrere hundert Kilometer entfernte Stadt zu unterstützen, ohne die Mutter in diese konkreten Pläne einzuweihen und ohne vom Vater darüber informiert worden zu sein, dass er dort zu seiner neuen Lebensgefährtin ziehen werde.
Die Sachverständige kam in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Vater mit den Kindern umziehen solle. In ihrem schriftlichen Gutachten bat sie das Gericht darum, der Kindesmutter den Inhalt des Gutachtens nicht zur Kenntnis zugeben, da sie damit rechnete, wenn die Mutter erfährt, dass dem Vater das Sorgerecht übertragen wird, sie sich oder den Kindern etwa antun könnte. Diese Einschätzung der Sachverständigen erfolgte ohne jede auf fachlichen und wissenschaftlichen Erkenntnissen gründende Untersuchung der vermeintlichen Suizidabsicht.
Der Vater und alle anderen Verfahrensbeteiligten wurden vor der Gerichtsverhandlung über die bevorstehende Entscheidung informiert. Der Vater wurde darum gebeten Umzugsbereit zur Verhandlung zu erscheinen. In der Verhandlung wurde der Mutter die Entscheidung offenbart und der Vater veranlasst direkt aus der Verhandlung mit seinen Kindern umzuziehen. Aufgrund der vermeintlichen Suizidgefahr der Mutter wurden umgehen unbegleitete Umgänge ausgeschlossen.
In dieser Situation beauftragte uns die Mutter mit der weiteren Vertretung. Das intensive Aktenstudium und die Befragung der übrigen Familienangehörigen ergaben ein völlig anders, als von der Sachverständigen, gezeichnetes Bild. Die familiäre Situation konnte richtig gestellt werden, insbesondere die starke Bindung der Kinder zu Mutter dargestellt werden. Auch wurde mit Psychologischer Hilfe der Suizidverdacht ausgeräumt und in einem umgehend eingeleiteten Eilverfahren die Durchsetzung unbegleiteter Umgänge zwischen der Mutter und den Kindern erwirkt.
Dieser Fall zeigt , wie wichtig es ist, sich vor der Einleitung eines familiengerichtlichen Verfahrens Gedanken über die Erfolgsaussichten und zu worst case Szenarien zu machen. Zusätzlich gilt zuprüfen, ob es sinnvoll erscheint an einer Begutachtung teilzunehmen. Die Gefahren einer Begutachtung werden leider weitläufig, gerade auch von Anwälten unterschätzt. Die sorgfältige anwaltliche Aufklärung ist oberstes Gebot. Leider werden Mandanten häufig in eine Begutachtungssituation entlassen, frei nach dem Motto, der Gutachter wird meinem Klienten schon Recht geben. Dies ist ein grober anwaltlicher Fehler und die fatalen Auswirkungen sind im Nachgang, wenn überhaupt, nur mit erheblichem Aufwand wieder rückgängig zu machen
Sorgerecht, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Familienpsychologisches Gutachten