Im vorliegenden Fall lebten die Kindeseltern bereits seit Jahren voneinander getrennt, als die Kindesmutter berabsichtigte, mit den beiden gemeinsamen Kindern ins EU-Ausland zu verziehen, um dort eine neue Arbeitsstelle anzutreten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man eine dem Wechselmodell angenäherte Umgangsregelung praktiziert. Einige Zeit vor den Umzugsplänen der Mutter hatte der Kindesvater neu geheiratet und ein weiteres Kind bekommen.
In dieser Situation stellte die Kindesmutter beim zuständigen Amtsgericht einen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Der Vater entgegnete diesem Antrag mit dem Begehren, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf sich zu übertragen. Das Gericht ordnete zunächst im Rahmen einer einstweiligen Anordnung an, den bisherigen Status aufrecht zu erhalten, da im Hauptsachverfahren ein Gutachten zur Frage, bei wem die Kinder besser aufgehoben seien, eingeholt werden sollte.
Die Kindesmutter musste fortan zunächst zwischen ihrem Wohnsitz in Deutschland und ihrer neuen Arbeitsstelle im Ausland pendeln.
In diesem Verfahrensstadium beauftragte uns die Kindesmutter mit der Überprüfung der tatsächlichen und rechtlichen Verfahrenssituation. Nach erfolgter Akteneinsicht, intensiver gemeinsamer Erarbeitung der familiären Lebensgeschichte und dem Kontakt mit allen Verfahrensbeteiligten empfahlen wir der Mutter, eine Begutachtung ihrer Person und der Kinder zu verweigern.
Grund für diesen Entschluss war, dass sich das bereits angeschlagene Verhältnis zwischen den Eltern und die bereits eingetretenen Umgangsprobleme durch eine Begutachtung weiter verschlechtert hätten. Dies vor dem Hintergrund, dass familiengerichtliche Gutachten dazu neigen, sich auf der Seite eines Elternteils zu positionieren und somit zumeist ein „Verlierer“ aus dem Verfahren hervorgehen wird. Es liegt auf der Hand, dass dieser Umstand nicht den notwendigen Konsens zwischen getrennt lebenden Eltern fördert und familiengerichtliche Gutachten daher auch eine große Gefahr für das Familiengefüge bedeuten.
Gegenüber dem Gericht erfolgte eine umfassende Darstellung der familiären Situation. Das Gericht unterbrach daraufhin die Begutachtung und folgte unserer Anregung zur persönlichen Anhörung der Kinder. Nachdem der Sachverhalt damit umfassend aufgeklärt war, entschloss sich der Vater, wie erhofft, dem Umzug der Kinder ins Ausland zuzustimmen.
Der Ausgang dieses Verfahrens erfreut uns besonders deshalb, weil er zeigt, dass auch in größeren Krisensituationen ein Verfahrensabschluss ohne Sachverständigengutachten möglich ist und aus unserer Sicht auch bevorzugt werden sollte. Vorschnelle Verlagerungen der familiengerichtlichen Entscheidung auf Sachverständige bergen die Gefahr in sich, dass ein ohnehin schon eingetretener elterlicher Konflikt weiter eskaliert. Dies liegt leider häufig an der mangelnden Qualität der Gutachten.
Sorgerecht, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Familienpsychologisches Gutachten