„Setzen Sie beim Streit ums Sorgerecht auf
Profis, die etwas davon verstehen.“
30Jul2015

Umgangsverweigerung: Nach Urteil des Oberlandesgerichts befindet sich eine Dreizehnjährige seit zwei Jahren im Heim.

Von: Pajam Rokni-Yazdi
Erneut beschäftigen wir uns mit einem Fall von Umgangsverweigerung und den für das Kind daraus resultierenden Folgen. Das Jugendamt hat vor mehr als zwei Jahren auf Veranlassung des OLG ein Kind aus dem Schulunterricht heraus und ohne Kenntnis der Mutter in Obhut genommen. Für mehr als zwei Monate bestand kein Kontakt zwischen beiden. Ein Verabschiedung war nicht möglich. Das Kind hat seine bisherigen sozialen Kontakte verloren und musste die Schule verlassen.

Das Kind wurde im Mai 2013 durch das Jugendamt aus dem Schulunterricht heraus in Obhut genommen. Zuvor hatte das Oberlandesgericht entschieden, dass L. aus dem Haushalt der Mutter heraus in einem Heim untergebracht werden soll. Das Gericht stützt sich dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen eines Sachverständigen welcher L. für 20 Minuten und ihre Mutter für 40 Minuten gesehen und mit ihnen besprochen hatte. Der Sachverständige war zu der Auffassung gelangt, dass zwischen Mutter und Tochter eine Symbiose vorliegen würde, welche eine Persönlichkeitsentwicklung der Tochter verhindern würde. Im Übrigen attestierte er der Kindesmutter eine Persönlichkeitsstörung. Vorausgegangen war ein jahrelanger Streit der Eltern und ein dadurch immer schwieriger werdenden Umgang zwischen Vater und Tochter. Nach einem nicht zu erhärtenden Verdacht des sexuellen Mißbrauchs durch den Vater kam es über Jahre hinweg nur zu begleiteten Umgängen mit diesem und anschließend zu einer Umgangsverweigerung des Kindes. Das Ende vom Lied war der Entzug des Sorgerechts und die Unterbringung im Heim. Der Sachverständige ging davon aus, dass L. beim Verbleib im Haushalt der Mutter später unter schweren Schuldgefühlen leiden würde. Wenn Eltern jedoch das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen und damit zugleich die Aufrechterhaltung der Trennung der Kinder von ihnen gesichert wird, darf es nur unter der strikten Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dieser gebietet es, dass Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffes sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach bestimmen müssen, was im Interesse des Kindes geboten ist. Das Deutsche Rote Kreuz wusste in seinem Bericht aus dem Hort nur positives über L. zu berichten: „L. zeigt sich in der Gruppe als fröhliches und aufgeweckt es Kind. Die sozial-emotionale Entwicklung des Kindes hat einen guten Verlauf genommen. L. ist gut integriert und wird von den anderen Kindern gern als Spielpartnerin angenommen.“ „L. es ein ausgesprochenes hilfsbreites Kind, sie bietet anderen ihre Unterstützung an ohne darauf hingewiesen zu werden.“ „L. hatte enge Freundschaft geschlossen.“ „Sie nutzt ihre sehr guten verbalen Fähigkeiten um ihre Standpunkte und Ideen mitzuteilen.“ „Ihre überdurchschnittlich entwickelte Kommunikationsfähigkeit setzt sie gern ein, um ihre Ziele zu erreichen.“ „L. trifft eigene Entscheidungen. Persönliche Empfindungen, Wünsche und Bedürfnisse kann sie äußern.“ In der gerichtlichen Anhörung äußerte sie, dass sie bei ihrer Mutter leben wolle. Das Gericht hat diesen Wunsch übergangen und L. auf Anraten des Sachverständigen lieber in ein Heim gegeben. Obwohl dieser selbst davon ausging, dass die Herausnahme L. traumatisieren werde und er wörtlich: „kein Backrezept“ für eine Herausnahme habe und dies nichts wäre, was sich von jetzt auf gleich durchsetzen ließe. Trotzdem wurde das Kind unmittelbar aus dem Haushalt der Mutter gerissen. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht in einer von unserer Kanzlei erwirkten Entscheidung, in einem ähnlich gelagerten Fall im Jahr 2013 folgendes ausgeführt: „Im Falle des bloßen „psychosozialen Zusammenrückens“ von Mutter und Kind mit dem Ziel der Ausgrenzung des umgangsberechtigten Vaters bei im Übrigen normaler Betreuung und Erziehung des Kindes kann der Schaden für das Kind infolge einer Zwangsmaßnahme deutlich größer sein als bei Unterlassen einer Intervention“ In der psychologischen Fachwelt wird vor „Radikalkuren die nur einem vordergründigen Rechtsempfinden und Strafbedürfnis Rechnung getragen gewarnt, da sie „zu kindeswohlschädigenden Konsequenzen führen können und gerade durch vorschnelle Diagnostik erhebliche Fehlentscheidungen zum Schaden des Kindeswohls getroffen werden.“ Zitiert nach Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten, 5. Auflage 2011. Über diese Erkenntnisse hat sich das OLG zum wiederholten Male hinweg gesetzt und dazu beigetragen, dass Mutter und Tochter seit mehr als zwei Jahren kein intimes Wort mehr miteinander wechseln konnten, weil die zweistündigen Umgänge, welche alle drei Wochen stattfinden, von Jugendamtsmitarbeitern begleitet und protokolliert werden. Dies vor dem Hintergrund, dass die Mutter die Heimunterbringung ihrer Tochter nicht akzeptieren kann und will. Zudem ist L. jetzt auf einer Oberschule ohne gymnasialen Zweig und hat den Kontakt zu ihren bisherigen Freunden und Klassenkammeraden verloren. Sogar Briefe welche die Mutter zur Aufmunterung an ihre Tochter geschickte hatte wurden vom Jugendamt abgefangen und zurück gesendet. Zuletzt hatte L. ihrem Verfahrensbestand, der ihre Interessen vertreten soll folgendes mitgeteilt: „Auf Ihre Wünsche angesprochen, teilte mir L. mit, dass sie sich wünsche, wieder bei der Mutter wohnen zu dürfen.“ Zur Kindesmutter hatte er folgendes ausgeführt: „Nach allem besteht aus Sicht der Kindesmutter dringender Handlungsbedarf dahingehend, dass das Kind nunmehr wieder in die Obhut ihrer Mutter zurückgeführt wird. Frau B. erklärt in diesem Zusammenhang Ihre Bereitschaft, entsprechende Unterstützung Dritter auch anzunehmen. Benannt wird hier insbesondere eine Familienhilfe zur Reintegration des Kindes, so dass gleichzeitig eine Überprüfung des Kindeswohls stattfinden würde. Auch anderen Auflagen im Rahmen einer Rückführung würde sich Frau B. nicht verschließen. Es könne jedoch nicht sein, dass ein Kind von nicht einmal 13 Jahren eine derart körperliche, psychische, seelische wie auch wirtschaftliche Belastung erfährt. Wirtschaftlich vor dem Hintergrund, dass ihre Tochter seinerzeit eine gymnasiale Empfehlung erhalten habe und nunmehr in der Schule aufgrund der traumatischen Erlebnisse nur noch vor sich „hindümpelt“.“ Einen darauf gestützten Antrag hatte das Gerichtr vor einigen Monaten zurückgewiesen. Die Mutter unternimmt nun  einen weiteren Versuch, um dem Willen ihrer Tochter Gehör zu verschaffen.

Schlagworte zu diesem Artikel

Umgangsrecht, Sorgerecht, Kindeswille, Kindeswohl, Bindungstoleranz

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