Die Kindesmutter hatte seit der Geburt die alleinige Sorge für ihren 11 jährigen Sohn. Sie war nach der Trennung vom Vater in eine andere Stadt verzogen. Der Vater hatte Umgang mit seinem Sohn und zu diesem auch ein gutes Verhältnis. In den folgenden Jahren kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Eltern über die Beschulungssituation des zu 100 % körperbehinderten Sohnes der auch an einer autistischen / Asperger- Erkrankung leidet.
Der Vater sah sich dazu veranlasst, im Jahr 2014 einen Antrag auf Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts nach § 1626a BGB zu stellen. Trotz merklich schärfer werdender Differenzen zwischen den Eltern entsprach das Amtsgericht dem Antrag des Vaters. Dies vor dem Hintergrund, dass durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerfG, Beschluss vom 21. 7. 2010 - 1 BvR 420/09 und die damit einhergehende Änderung des Gesetzes die Rechte der Väter an dieser Stelle massiv gestärkt worden.
Man kann geteilter Meinung sein, ob diese grundsätzlich richtige Einstellung des Gesetzgebers, die Rechte von Vätern zu stärken, nicht in vielen Fällen dazu führt, dass schwierige Beziehungsfälle in einem Hochkonflikt enden. Es bleibt oft ein Rätsel, wie man von Eltern, die nie zusammen gelebt haben, erwarten will, dass sie in strittigen Fragen ihr Kind betreffend eine gemeinsame Linie vertreten sollen. Dies ist zum Teil Wunschdenken. Schließlich hat es doch Gründe warum die Eltern nicht zusammen leben. Die Anwesenheit eines Kindes kann kaum dazu führen, dass sich als Eltern annähern. Auch wenn das wünschenswert wäre entspricht es eben häufig nicht der Realität. Bei Eltern die über Jahre mit den Kindern zusammengelebt haben mag dies anders sein (hier ist die Regelung des Gesetzgebers auch richtig aufgehoben). Bei Menschen die sich kaum kennen ist sie kontraproduktiv, weil die alleinerziehende Mutter den Antrag des Vaters als Gefahr begreift und somit die Situation einer alleinerziehenden Mutter oft noch weiter belastete wird. Insbesondere die Belastung durch die familiengerichtlichen Verfahren ist nicht zu unterschätzen. Diese Belastung tritt auf, weil die unterschiedlichen Verfahrensbeteiligten (Richter, Jugendamt, Verfahrensbeistand, Anwälte, Sachverständige) eigene Auffassungen von der Kindererziehung und Lebensgestaltung haben und diese oft ohne Prüfung der konkret im Streit befindlichen Familiensituation durchsetzen wollen und auf den Fall übertragen.
Jedenfalls hat Kindesmutter in unserem Fall Beschwerde vor dem Oberlandesgericht erhoben. Dort stellte der Vater im Rahmen einer Anschlussbeschwerde den Antrag auf Alleinsorge nach § 1671 II BGB. Das Gericht sah sich daraufhin veranlasst ein Sachverständigengutachten einzuholen, mit der Frage wo das Kind zukünftig am besten aufgehoben sei. Die Mutter wirkte an der Begutachtung die auch Interaktionsbeobachtungen beinhaltete mit. Vor der Erstellung des schriftlichen Gutachtens rief der Sachverständige beim Gericht an und erklärte, er werde zu dem Ergebnis kommen, dass das Kind in den Haushalt des Vaters, der neu geheiratet hatte und zwei weiter kleiner Kinder habe, wechseln solle. Er erklärte weiter, er könne nicht beurteilen wie die Mutter reagieren würde, wenn sie von dem Gutachtenergebnis erfahre. Man müsse mit dem Schlimmsten rechnen auch mit erweitertem Suizid. Er meinte man soll die Mutter als nicht informieren, sondern vielmehr das Kind mit der Polizei zum Vater bringen lassen und die Mutter psychiatrisch betreuen. Gesagt getan. Der Gutachter benötigte noch drei Wochen zur Ausarbeitung seines Gutachtens. Dennoch veranlasste das Gericht bereits alles um den Umzug des Kindes vorzubereiten. Es vermittelte sogar einen Kontakt zwischen dem Gutachter und dem Leiter des Gesundheitsamtes. Diesem wurde auch das Gutachten zugeleitet. Kurz vor Weihnachten reichte der Gutachter sein fast einhundertseitiges Gutachten beim Gericht ein. Keine zwei Stunden später erließ das Gericht eine einstweilige Anordnung und verlangte den Umzug des Kindes zum Vater. Es informierte die Polizei, das Ordnungsamt, den Gerichtsvollzieher und natürlich den Vater. Die Mutter und ihr Anwalt erhielten keine Information. Nachdem die Polizei den Jungen in der Schule abgefangen und dem Vater übergeben hatte wurde die Mutter von der Polizei und dem Gesundheitsamt aufgesucht und ihr die Situation eröffnet. Sie wurde per Bescheid von der Polizei in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen. Ihr wurde Eigen- und Fremdgefährdung unterstellt. Es sei angemerkt, dass der gerichtliche Sachverständige ein Kinderpsychiater ist und keine Untersuchung der Mutter auf mögliche Suizidabsichten vorgenommen hat. Auch das Gesundheitsamt hat keine Untersuchung der Mutter vorgenommen, sondern auf Basis des gerichtlichen Familiengutachtens die Mutter in Gewahrsam genommen. Die Kindesmutter konnte nach wenigen Tagen ihre Entlassung aus der Psychiatrie erzielen, weil Sie glaubhaft versichern konnte, dass Sie nie an Selbstmord oder die Tötung ihres Kindes gedacht hatte. Auch andere Ärzte konnten bestätigen dass dieser Gedanke in Bezug auf die Mutter völlig abwegig sei.
In dieser Situation hat uns die Mutter beauftragt, wir haben die Verfahrensakte und das Gutachten eingehend geprüfte und eine Vielzahl von fachlichen Mängeln des Gutachtens und der gerichtlichen Entscheidung zutage gefördert, die nun überprüft werden müssen. Zudem haben wir ein Umgangsverfahren anhängig gemacht, da man der Mutter aufgrund der Diagnose unbegleitete Umgänge untersagt.
Sorgerecht, Familienpsychologisches Gutachten